Dawn Chorus 2020
Ergebnisse
Zu Beginn des Jahres 2020 bewirkte der Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie eine plötzliche und extreme Reduzierung menschlicher Aktivität weltweit. Die Krise beeinträchtigte das Leben von Milliarden Menschen, gleichzeitig bot sie aber auch die einmalige Möglichkeit, die Auswirkungen von menschlichem Handeln auf die Tierwelt zu untersuchen. Eine große Zahl wissenschaftlicher Untersuchungen und bürgerwissenschaftlicher Projekte („citizen science“) nutzte diese außergewöhnliche Zeit der Stille, um Daten zu Verhalten von Tieren und Biodiversität zu erheben. Es war auch der perfekte Zeitpunkt, das Dawn Chorus-Projekt anzustoßen, das weltweit erste Kunst- und Citizen Science-Projekt, das die Artenvielfalt der Vögel anhand ihrer Morgengesänge erforscht – mit Hilfe von Amateurwissenschaftler*innen und ihren Smartphones.
Allgemeine Informationen zur Datenerfassung
Danke für über 3.500 Vogelstimmen!
Im Mai 2020 wurden mehr als 3.500 Vogelstimmen hochgeladen. 3.200 davon wurden innerhalb eines Zeitraums von einer Stunde vor Dämmerung bis eine Stunde nach Sonnenaufgang aufgenommen.
Die Aufnahmen kamen aus 50 verschiedenen Ländern, 80% aus Deutschland, ungefähr 5% aus den USA und 3.4% aus Großbritannien.
Die meisten Aufnahmen stammten vom Stadtrand und aus der Innenstadt:
Lokale Verteilung der Aufnahmen innerhalb Deutschlands (Landbedeckung und Bundesländer):
Eine der größten Herausforderungen: Aufnahmen von denselben Orten aus mehreren Jahren
Eine Studie, veröffentlicht in Science, hatte das Glück, Soundscapes und Gesangsaufnahmen der Dachsammer aus vielen Jahren vor dem Lockdown mit Aufnahmen aus dem „Silent Spring“ 2020 vergleichen zu können. Wie erwartet stellte sich dabei heraus, dass die Geräuschpegel während des Lockdowns zwar nicht auf dem Land, aber in der Stadt niedriger waren als zuvor. Entsprechend mussten die Vögel nicht mehr gegen den Lärm ansingen, sondern konnten die volle Bandbreite ihres Gesangs zeigen.
Leider können wir nicht durch die Zeit reisen, um für das Dawn Chorus-Projekt Daten aus der Vergangenheit zu sammeln. Aber wir können das Projekt mehrmals durchführen und die Ergebnisse vergleichen. Dafür benötigen wir Eure Unterstützung als Citizen Scientists! Nur so können wir die Geräuschkulisse im Frühjahr 2020 mit anderen Jahren vergleichen und die Vogelvielfalt im Verlauf der Zeit untersuchen.
Bisher luden über 40% der Teilnehmer*innen mehr als eine Aufnahme hoch.
Hier möchten wir anknüpfen und laden Euch dazu ein, Eure Aufnahmen von 2020 im Mai 2021 an denselben Orten zur ungefähr selben Zeit im Monat und Tageszeit zu wiederholen!
Menschgemachter Lärm
Lärm ist nicht nur störend, die negativen Auswirkungen von Lärmverschmutzung auf Gesundheit und Wohlbefinden von Mensch und Tier sind nachgewiesen. Die Lockdown-Maßnahmen führten auf der ganzen Welt zu einer extremen Reduktion von menschgemachtem Lärm. Dies wollen wir zusammen mit unseren Citizen Scientists dokumentieren.
Zur Beurteilung der Art und Intensität der Lärmquellen mussten wir uns vollständig auf unsere Teilnehmer*innen verlassen, da die Smartphone-Aufnahmen keine wissenschaftlich verlässlichen Informationen über die Hintergrundgeräusche zulassen. Interessant wird ein Vergleich mit kommenden Jahren sein, wenn Straßen- und vor allem Fluglärm wieder ein früheres Level erreichen.
Diese verschiedenen Lärmquellen gaben die Teilnehmer*innen für die unterschiedlichen Habitate an:
Wir baten darum, Aufnahmen sowohl unter der Woche wie auch am Wochenende bzw. an Feiertagen vorzunehmen. Für gewöhnlich ist der menschliche Geräuschpegel unter der Woche höher und beginnt früher am Tag als an Wochenenden und Feiertagen. Wir würden also erwarteten, dass der Lockdown nicht nur zu einer umfassenden Reduktion menschgemachten Lärms führen würde, sondern auch die Unterschiede zwischen Werktag und Wochenende deutlich weniger stark hervortreten würden.
Helft uns, dies herauszufinden, indem Ihr im Mai 2021 an denselben Orten sowohl unter der Woche als auch an Wochenenden Aufnahmen macht.
Der Dawn Chorus als Indikator für Vogelarten
Auf der ganzen Welt sind unzählige Tierarten vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Um diesen Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten, müssen die zugrundeliegenden Prozesse erforscht und die Biodiversität in unterschiedlichen Habitaten über den Verlauf der Zeit nachverfolgt werden. Vögel gelten als wichtige Indikatoren für Veränderungen in Habitaten. Dabei ist von großem Vorteil, dass die meisten Vögel charakteristische Laute innerhalb des menschlichen Hörbereichs erzeugen – so können sie entdeckt werden, auch wenn sie nicht zu sehen sind.
Während des berühmten Morgenkonzerts sind viele Vögel gesanglich höchst aktiv. Zur gleichen Zeit singen unterschiedliche Tiere derselben oder verschiedener Gattungen. Das macht die Analyse der Daten des Dawn Chorus-Projekts zu einer großen Herausforderung. Unser Ziel ist es, mit Vogelstimmen-Experten, IT- und Datenwissenschaftlern zusammenzuarbeiten, um die Erforschung Künstlicher Intelligenz zur automatischen Arterkennung des Vogelgesangs weiterzubringen.
Momentan sind wir dabei, einige der Aufnahmen manuell (oder besser: akustisch) zu analysieren und eine Datenbank aufzubauen, anhand derer zukünftige Algorithmen das Erkennen von Vogelarten erlernen können. An dieser Stelle können wir deshalb noch keine Ergebnisse zur Verbreitung der Vogelarten präsentieren. Was wir aber bereits zeigen können, sind die Vogelarten, die unsere Citizen Scientists angaben, erkannt zu haben:
Fun facts
Sonntags-Gesänge: Die meisten Aufnahmen wurden am Sonntag gemacht, die wenigsten am Dienstag.
Besser spät als nie: Die meisten Teilnehmer*innen steuerten ihre Vogelstimmen am letzten Tag des Aufnahmezeitraums bei.
Ein Dankeschön allen Frühaufstehern für die Aufnahmen des Dawn Chorus!
Lokale Uhrzeit der Dawn Chorus-Aufnahmen (schwarz), Dämmerung (lila) und Sonnenaufgang (gelb) im Aufnahmezeitraum (Daten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz). Je später im Aufnahmezeitraum, desto früher die Aufnahmen.
Ein ausführlicherer Bericht zu den wissenschaftlichen Aspekten der Datensammlung aus der ersten Projektphase (Mai 2020) findet sich hier (engl.): A project report on the scientific aspects of the citizen-science and arts project Dawn Chorus – by Dr. Lisa F. Gill