Über Dawn Chorus

Im Frühjahr 2020 erlebten wir Menschen einen noch nie dagewesenen, weltweiten Einschnitt in das öffentliche Leben, den “Stillen Frühling”. Diese frühe Phase der Corona-Pandemie bedeutete für Millionen von Menschen den Beginn einer extrem herausfordernden Zeit. Gleichzeitig war dieser Zeitpunkt verbunden mit einer plötzlich einsetzenden, tiefgreifenden Stille: Städte, Flughäfen und Industriegebiete standen wortwörtlich still, und es gab zahlreiche Sichtungen von Wildtieren, in plötzlich menschenleeren Gebieten. Die sonst so dominanten Geräusche menschlicher Aktivitäten verstummten zeitweise und ließen Raum für die Klänge der Natur. Gleichzeitig zwangen uns die weltweiten Reise- und Ausgangsbeschränkungen förmlich dazu, den Dingen vor unserer Haustür mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Dawn Chorus: entstanden in einem besonderer Moment der Stille

In diese Stille hinein wurde das Projekt Dawn Chorus von BIOTOPIA – Naturkundemuseum Bayern und der Stiftung Kunst und Natur, mit Unterstützung der Max-Planck-Gesellschaft, ins Leben gerufen. In sehr kurzer Zeit fanden sich in dieser Situation Menschen zusammen, um das Projekt zu starten, inspiriert von der Arbeit des „Vaters des Soundscaping“, dem Bioakustiker und Musiker Bernie Krause (The Doors“, Frank Zappa, „The Weavers“). Seitdem lädt Dawn Chorus weltweit dazu ein, das Morgenkonzert zu erleben und aufzunehmen, um der Natur mehr Gehör zu verschaffen. Seit 2022 nun mit einem neuen starken Projektpartner an der Seite: dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV).

 

„Eine gesunde Landschaft erkennt man am besten mit den Ohren.“

Bernie Krause, Soundscaping Pionier, während einer Masterclass von BIOTOPIA und Stiftung Kunst und Natur (2019)

Die Erde befindet sich in einer Biodiversitätskrise gewaltigen Ausmaßes, die heute als das 6. Massenaussterbe-Ereignis der Erdgeschichte bezeichnet wird. Die Bestände der Landwirbeltiere sind seit 1970 um 60% zurückgegangen. Vögel sind davon besonders betroffen und die Bestände gehen gerade in Deutschland und Europa so massiv zurück, dass man von einem alarmierenden Vogelschwund spricht.

Im Morgenkonzert, so schön es auch klingen mag, können wir diese Rückgänge deutlich hören – wenn wir nur zuhören.

„Soundscaping“, das bezeichnet zunächst die Dokumentation von Naturgeräuschen: Vögel, Insekten, Amphibien, aber auch Flussläufe, Wasserfälle oder sich wiegende Baumwipfel zeichnen gemeinsam ein akustisches Bild ihres Lebensraums. Auch die Geräusche menschlichen Ursprungs bilden sich dort ab, wie zum Beispiel Straßen- oder Fluglärm, die die akustischen Eigenschaften ihrer Umwelt maßgeblich verändern können.
Manchmal verändern sich Klanglandschaften plötzlich und drastisch. Krause machte diese schmerzliche Erfahrung, als er in den 1980er Jahren in einem kalifornischen Wald Soundscapes vor und nach der Abholzung aufzeichnete: Trotz Wiederaufforstung waren die meisten Vögel noch Jahre später verstummt. Andere Veränderungen vollziehen sich eher langsam, wie die Zunahme von Straßenverkehr und des damit einhergehenden Lärms.

Vögel als singende Botschafter der Artenvielfalt

Viele Vogelarten können als sogenannte Indikatorspezies Aufschluss geben über verschiedene Merkmale von Lebensräumen. Die langfristige Sammlung von Tonaufnahmen des Morgenkonzerts der Vögel kann also dabei helfen, Veränderungen in Lebensräumen zu erkennen – zum Beispiel, indem sie aufzeigen, wo Arten verschwinden oder hinzukommen, oder wie Vögel ihr Verhalten verändern.

Das wissenschaftliche Ziel von Dawn Chorus ist es, anhand von Tonaufnahmen und der Hilfe von Bürgerwissenschaftler*innen, Vogelvielfalt über Jahre hinweg zu dokumentieren. Die Daten dieses „akustischen Biomonitoring“ helfen dabei, Veränderungen in der Artenzusammensetzung aufzuzeigen (mehr lesen). Für die wissenschaftliche Vergleichbarkeit steht seit 2021 die kostenlose Dawn Chorus App für Android und iOS zur Verfügung. Der Hauptsammelzeitraum findet immer im Mai statt.

Das Besondere: Citizen Science und Kunst

Doch das Dawn Chorus Projekt geht über ein Dasein als reines Bürgerwissenschaftsprojekt hinaus: Das morgendliche Vogelkonzert stellt auch eine Inspirationsquelle und Basis für kreative Prozesse dar, denn je mehr wir Menschen uns auf die Natur einlassen und ihr zuhören, desto mehr werden wir uns Veränderungen bewusst. Dawn Chorus lädt also auch dazu ein, sich detailliert mit den Klängen der Natur zu beschäftigen: ohne zu Reisen weltweit Vogelkonzerte erkunden, das eigene Vogelwissen unter Beweis stellen, durch das Hinzufügen gehörter Vogelarten, mehr über Wissenschaft und Vogelstimmen lernen und sich mit Kunst um Dawn Chorus herum zu beschäftigen oder selbst kreativ werden, durch das Hochladen von Fotos oder Gedichten, oder durch die Verwandlung der eigenen Aufnahme in Kunst anhand von „Sonic Feather“!
Über diese Verknüpfung von Naturerleben, Wissenschaft, Kunst und der wachsenden Gemeinschaft von Vogelfans in Bayern und der Welt berührt uns Dawn Chorus auch auf eine kreative und emotionale Weise und macht über Landesgrenzen und Bildungsunterschiede hinweg auf die Wunder und auch auf die Bedrohung der Natur aufmerksam.

Seid dabei!

Der ehemalige bayerische Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler zum Citizen Science und Arts-Projekt Dawn Chorus 2021:

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Video-Trailer zum Projektstart 2020:

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Initiatoren

Dawn Chorus wurde gemeinsam initiiert von

Dr. Bernie Krause
Soundscape-Forscher & Musiker, Kalifornien, USA

Prof. Kathrin Böhning-Gaese
Senckenberg Gesellschaft, Frankfurt (Main), Deutschland

Prof. Manfred Gahr
Abteilung Verhaltensneurobiologie
Direktor Max-Planck-Institut für Biologische Intelligenz (in Gründung), Seewiesen, Deutschland

Dr. Dan Stowell
Tilburg University, Naturalis Biodiversity Centre, Niederlande

Dr. Moritz Hertel
Abteilung Verhaltensneurobiologie
Max-Planck-Institut für Biologische Intelligenz (in Gründung), Seewiesen, Deutschland

Dr. Henrik Brumm
Forschungsgruppe Kommunikation und Stadtökologie
Max-Planck-Institut für Biologische Intelligenz (in Gründung), Seewiesen, Deutschland

Dr. Tereza Petruskova
Department of Ecology
Karls-Universität Prag, Tschechische Republik

Prof. Michael Scherer-Lorenzen
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland